Der Endelberg, von Nehren aus gesehen. Durch diese Streuobstwiesen wird ein 12 Meter tiefer Einschnitt führen.

Der Endelberg, von Nehren aus gesehen. Durch diese Streuobstwiesen wird ein 12 Meter tiefer Einschnitt führen.

Die Bundesstraße 27 zwischen Stuttgart und Balingen ist laut Industrie- und Handelskammer (IHK) die „Lebensader der Region Neckar-Alb“. Nach jahrzehntelanger Bautätigkeit soll nun das vorletzte Nadelöhr auf dieser Strecke beseitigt werden. Die Endelbergtrasse soll die B27 auf vier Spuren um Ofterdingen herum führen. Damit wird ein Plan vollendet, der in sich logisch klingt, aber einen gravierenden Fehler hat: Er stammt aus den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und geht von damals gültigen Vorstellungen aus. Die aber haben sich geändert:

Heute hat der Naturschutz einen anderen Stellenwert.
Wir haben erkannt, dass jeder Eingriff in die Natur schwerwiegende Konsequenzen hat. Wir wissen, dass Ausgleichsmaßnahmen nur bedingt funktionieren. Wir wissen, dass solche Eingriffe minimiert werden müssen.
Genau deshalb sind in den Planungsunterlagen zur Endelbergtrasse umfangreiche umweltfachliche Untersuchungen zu finden. Sie kommen klar und deutlich zu dem Schluss, dass genau diese Trasse aus Umweltgesichtspunkten die schlechteste ist.

Heute wird Verkehr neu gedacht.
Schon in zehn Jahren wird sich der Verkehr nach und nach verringern. Der motorisierte Individualverkehr nimmt ab, wenn Radschnellwege gebaut werden. E-Bikes erlauben einen größeren Pendlerradius. Neue digitale Vernetzungskonzepte ermöglichen intelligentes Carsharing und Mitfahrmöglichkeiten. Der jahrelang vernachlässigte und rückgebaute Schienenverkehr gewinnt wieder an Bedeutung.
Genau deshalb entsteht derzeit die Regional-Stadtbahn Neckar-Alb. Sie verbindet die Städte und Gemeinden der Region als zukunftsfähiges Mobilitätsangebot mit umsteigefreien ÖPNV-Verbindungen und einem dichten Taktverkehr. Die Straßen werden entlastet, die Pendler gelangen entspannt direkt zur Arbeit.

Heute leben wir in einer digitalisierten Gesellschaft.
Die weltweite Vernetzung durch das Internet bietet neue Möglichkeiten für Industrie 4.0, Homeoffice und z.B. auch flexible Arbeitszeitmodelle. Man muss nicht zu jedem Meeting fahren, nicht jeden Tag oder zur gleichen Zeit zur Arbeit pendeln. Die Corona-Pandemie hat im Brennglasmodus gezeigt, wozu eine digitalisierte Gesellschaft fähig ist.
Genau deshalb monieren Bürgermeister und andere Politiker der Region seit Jahren den schleppenden Breitbandausbau der Bundesregierung. Wäre es nicht besser, das Geld hierin zu investieren statt in bald nicht mehr benötigte Straßen?

Heute denken die Bürgerinnen und Bürger anders.
Bei Wahlen sind Umwelt- und Klimaschutzthemen wichtiger denn je. Die Erderwärmung ist nicht mehr wegzudiskutieren. Kinder und Jugendliche bangen um die Zukunft der Erde und fordern von den Erwachsenen schnelles und gezieltes Handeln. Doch selbst umweltbewusste Menschen wählen notgedrungen den Weg, der am nächsten liegt.
Genau deshalb sollten Radwege und der Schienenverkehr ausgebaut und mit anderen Mobilitätslösungen intelligent vernetzt werden. Es gibt hierfür schon jetzt tolle Konzepte – auch für den ländlichen Raum. Selbst ein so lang geplantes Projekt wie die Umfahrung Ofterdingens muss nicht auf Biegen und Brechen umgesetzt werden. Die Menschen sind bereit für neue Wege.

Heute können wir nicht mehr mit Konzepten aus dem vergangenen Jahrhundert arbeiten.
Die Europäische Union, die Bundesregierung, auch Wirtschaftsvertreter wiederholen es unablässig: Wir wollen nachhaltig planen, wirtschaften und arbeiten. Wir wollen Rücksicht auf die Natur nehmen. Wir wollen keine weiteren Flächen verbrauchen oder versiegeln. Wir wollen den Klimawandel stoppen. Wir wollen global denken und lokal handeln.
Genau deshalb müssen wir jetzt neue Konzepte denken und umsetzen. 110 Millionen Euro kostet die Endelbergtrasse – vorausgesetzt, die alten Kostenberechnungen stimmen überhaupt noch. Mit sehr viel weniger Geld ließe sich eine Ofterdinger Durchfahrt entwickeln, die modellhaft auch für andere Kommunen zeigt, wie sich eine solche Verkehrssituation umwelt- und menschenverträglich umsetzen ließe. Wir stehen an einem Wendepunkt, der Ofterdingen zum Symbol werden lässt. Entweder für eine rückwärtsgewandte Verkehrspolitik. Oder für den Start in eine neue Mobilitätswelt.

Der Vereinszweck des Netzwerks Streuobst Mössingen ist laut seiner Satzung „der Schutz, der Erhalt und die Förderung der Kulturlandschaft Streuobstwiese“. Ein Projekt wie die Endelbergtrasse widerspricht nicht nur diesen Zielen in eklatanter Weise, sondern auch anderen, die damit eng verbunden sind, seien es Naturschutz, Biodiversität, Klimaschutz oder auch Regionalität.

Das Netzwerk Streuobst Mössingen e.V. spricht sich daher gegen die Endelbergtrasse aus.

Unsere Einwände im Detail